München – „Mit der Plastischen und Ästhetischen Chirurgie wird häufig primär die so genannte ‚Schönheitschirurgie‘ verbunden“, gibt Prof. Dr. Riccardo Giunta, Kongresspräsident und Chefarzt Handchirurgie, Plastische Chirurgie und Ästhetische Chirurgie; Campus Innenstadt LMU Klinikum der Universität München zu bedenken. „Damit wird der Blick auf unser breites Fachgebiet, ruhend auf den Säulen Rekonstruktion, Hand- und Verbrennungschirurgie sowie der Ästhetischen Chirurgie, leider verengt“, kritisiert Prof. Giunta und konstatiert: „Basierend auf der Forschung als Sockel tragen alle vier Säulen gleichberechtigt die Plastische Chirurgie. Sie gehen fließend ineinander über und befruchten einander, der Fortschritt des Ganzen ist ohne alle Bestandteile nicht denkbar!“
Form – Funktion – Ästhetik
Die untrennbare Einheit des Fachgebietes, im Rahmen des Kongresses mit dem Motto „Form – Funktion – Ästhetik“ auf den Punkt gebracht, verdeutlicht Prof. Giunta am Beispiel einer 28-jährigen Patienten. Die junge Frau litt nach einem Verkehrsunfall unter einem schweren Schädel-Hirn-Traum, ein Stück Schädelknochen sollte wieder eingesetzt werden. Die Hirnhaut wurde beschädigt, es kam zum Infekt, und der Knochen musste wieder entfernt werden. Die Patientin litt in Folge an einer tiefen Einwölbung auf der Stirn. „Hier kam die Plastische Chirurgie ins Spiel“, berichtet Prof. Giunta. In interdisziplinärer Zusammenarbeit mit den Neurochirurgen wurde mit Hilfe einer Computersimulation der Defektverschluss vorbereitet. Während der achtstündigen Operation wurde mit formbarem Kunststoff der Knochen ersetzt, ein Muskel eingesetzt und mikrochirurgisch wieder angeschlossen. „Im Team konnten wir so die Form wiederherstellen und die Funktion unterstützen, da das Gehirn nun wieder von Hirnflüssigkeit umgeben war“, freut sich der Plastische Chirurg. Die Patientin könne nun wieder mit unbedeckter Stirn das Haus verlassen und ihre weitere Rehabilitation angehen.
Bewusstsein schaffen
„Uns liegt besonders viel daran, dass auch die Patienten über die Möglichkeiten unseres innovativen Faches informiert und so auch in ihrer Entscheidung für eine Behandlung gestützt werden“, konstatiert Prof. Giunta. „Wir nutzen den Kongress daher erstmals auch, um am Samstag den Münchnern die Gelegenheit zu geben, sich über die ganze Bandbreite des Fachgebietes zu informieren – von der Verbrennungs- über die Handchirurgie und die Plastische Chirurgie im Ganzen, hier etwa zu evidenzbasierter Ästhetischer Chirurgie oder zu den Möglichkeiten der Brustrekonstruktion“, kündigt Prof. Giunta an. Er selbst werde von Dr. Antje Kathrin Kühnemann zum Thema „Was soll Plastische Chirurgie? Was soll sie nicht?“ interviewt. Hier gehe es dann primär um die komplexen, auch gesellschaftlichen Fragestellungen zur ästhetisch-plastischen Chirurgie.