Berlin – „Das Wirkprinzip ist noch nicht geklärt, die vielseitigen Anwendungsmöglichkeiten aber erstaunlich – von der Faltenbehandlung, schweren Verbrennungsnarben, offenen Wunden bis hin zur nervösen Inkontinenz“, zieht Prof. Dr. Peter M. Vogt, Präsident der Deutschen Gesellschaft der Plastischen, Rekonstruktiven und Ästhetischen Chirurgen (DGPRÄC), sein persönliches Fazit des zweiten Kongresses der „International Society of Plastic Regenerative Surgery“ (ISPRES). Dieser fand mit der DGPRÄC als Co-Veranstalter vom 7. bis 9. Juni 2013 in Berlin statt und zog rund 240 Experten aus 50 Ländern an.
Erstaunlicher Nebeneffekt: die Regeneration
Dr. Sydney R. Coleman, Präsident des Kongresses, entdeckte den regenerativen Effekt der Eigenfettinjektion eher zufällig. Anfang der 90er-Jahre korrigierte er die Nasenform einer Patientin, einige Zeit später kam diese zurück und fragte, wo die Narbe auf ihrer Nase geblieben sei. „Es stellte sich heraus, dass mit dem Einbringen von Fett neben der gewünschten Auffüllung von Gewebe auch regenerative Effekte einsetzen. So verbessert sich die Hautqualität deutlich, Sonnenschäden gehen genauso zurück wie Falten und große Poren“, berichtet der Plastische und Ästhetische Chirurg aus New York City. Neue Untersuchungen würden nahe legen, dass mit der Transplantation Blutgefäße und Blutfluss verbessert und zugleich die Fibrose, also das Wuchern von Bindegewebe, reduziert werde. Regenerative Effekte also, die nicht zuletzt in der Rekonstruktion neue Möglichkeit eröffnen. So berichtete Prof. Gino Rigotti, Präsident der ISPRES, von seinen positiven Erfolgen bei der Regeneration von bestrahlten Brüsten nach der Injektion von Fett – die Haut wurde wieder stabil und dehnbar. „Umfassende Literaturrecherche und eigene Forschung“, so Rigotti, habe zwar keinen Nachweis erbracht, dass die Transplantation von Eigenfett in zuvor durch Tumoren belastete Regionen erneutes Tumorwachstum fördere – trotzdem empfehle sich die Behandlung heute vor allem, wenn der Patient völlig tumorfrei sei. „In jedem Fall haben wir einen wichtigen Schlüssel zur Regeneration gefunden. Mit diesem völlig neuen medizinischen Ansatz kann der eigene Körper uns heilen, ohne Medikamente oder invasive Methoden. Wir werden noch viel forschen müssen, um das Wirkprinzip völlig zu erschließen und weitere Anwendungen entwickeln zu können“, konstatierte Coleman.
Alles was Recht ist
„Dabei sind die Forschungs- und Anwendungsmöglichkeiten stark von der nationalen Rechtslage abhängig“, berichtet Prof. Vogt. So müsse die Absaugung, Aufbereitung und das Wiedereinbringen des Fettes in Deutschland in einem Vorgang erfolgen, ansonsten verstoße man hierzulande gegen das Gewebegesetz. „Mit dem so bearbeiteten Fett lassen sich dann Gewebedefekte ausgleichen, etwa Brustfehlbildungen korrigieren.“ Werde das Fett weiter bearbeitet, etwa mit Stammzellen angereichert, falle dies in Deutschland unter das Arzneimittelgesetz: „Forschungen in diesem Bereich bedürfen daher recht aufwendiger Genehmigungsverfahren“, berichtet Prof. Vogt, der dazu auch an der Medizinischen Hochschule Hannover forscht. Er schließt, dass man auch für die Re-Injektion nicht bearbeiteter Fettzellen eine stringente Qualitätssicherung unter Einsatz evidenzbasierter Leitlinien benötige, um maximale Patientensicherheit zu erreichen. Unter Leitung der DGPRÄC werde aktuell eine Leitlinie zum Thema erstellt.