Bremen –„In der Ästhetik, aber auch bei rekonstruktiven sowie handchirurgischen Eingriffen und im Rahmen der Verbrennungschirurgie ist ein effizientes Komplikationsmanagement von entscheidender Bedeutung“, leitet Prof. Dr. Peter M. Vogt, Präsident der Deutschen Gesellschaft der Plastischen, Rekonstruktiven und Ästhetischen Chirurgen (DGPRÄC) ein und führt aus, dass dies bereits vor dem Eingriff ansetzen müsse.
Die Indikationsstellung & Risiko-Selektion
„Vor dem Eingriff sind die Risiken für den Patienten sorgsam abzuwägen. Dabei ist heute weniger das kalendarische Alter ausschlaggebend – vielmehr tritt der biologische Allgemeinzustand in den Vordergrund“, erläutert Vogt und führt aus, dass hier neben dem Gesundheitszustand auch zu beachten sei, ob der Patient rauche. Sei dies der Fall, ergebe sich etwa im Rahmen eines Facelifts ein 13-fach erhöhtes Risiko für Hautnekrosen. Der Patient müsse daher zumindest vier Wochen vor dem Eingriff das Rauchen einstellen. Im Bereich der ästhetischen Chirurgie ist aus Vogts Sicht auch die psychologische Komponente nicht zu unterschätzen: „Diese Patienten unterziehen sich freiwillig einem Eingriff, von dem sie sich eine Verbesserung ihres Äußeren erwarten. Eine empathische, integere Arztpersönlichkeit mit ethischer Grundeinstellung, gepaart mit solider chirurgischer Fertigkeit, dem passenden Bauchgefühl und der Fähigkeit zu adäquater, situationsgerechter und patientenorientierter Interaktion in jeder Phase der Behandlung stellen die Basis hierfür dar“, verdeutlicht Vogt. Mehrere, zeitlich getrennt geführte Aufklärungsgespräche seien ebenso unabdingbar wie die realistische Darstellung des Machbaren und eine schonungslose, auch Risiken im Promillebereich berücksichtigende Aufklärung. „Nur unter diesen Bedingungen ist der Patient befähigt, eine freiwillige und unabhängige Entscheidung zu treffen“, formuliert Vogt. Auch die Erhebung eines psychosozialen Profils des Patienten mit Ergründung der Motivation zu dem erwünschten Eingriff sei entscheidend für den Erfolg. „Das Komplikationsmanagement muss hier massiv um die psychologische Patientenführung erweitert werden, Ausschlusskriterien für einen ästhetischen Eingriff können etwa unrealistische Erwartungen, emotionale Instabilität oder auch eine Dysmorphophobie, also eine Körperbildwahrnehmungsstörung, sein“, erläutert Vogt.
Komplikationen während und nach dem Eingriff: Beispiel Brustvergrößerung
„Ausführliche Statistiken der ,American Society of Plastic Surgeons’ (ASPS) zu postoperativen Klagen belegen, dass diesen in 36 Prozent der Fälle ein Eingriff an der Brust vorausgegangen ist“, berichtet Vogt. Bei der Brustvergrößerung könne es zu Kapselbildungen mit Verhärtungen kommen, es könnten falsche Implantate gewählt, Infektionen oder Wiederholungseingriffe mit entsprechenden Kosten oder gar Nervenschäden mit Sensibilitätsverlust der Brustwarze eintreten. Nach einer Brustverkleinerung führten häufig Unzufriedenheit mit der Narbe, Verlust von Brustwarze und/oder Hautmantel mit notwendigem Folgeeingriff, bis hin zur Hauttransplantation aber auch Asymmetrien und „Formentstellungen“ häufig zu Klagen, berichtet der Plastische und Ästhetische Chirurg. Vermeiden ließe sich davon manches, aber nicht alles. „Bei schlechtem Gesundheitszustand muss sorgfältig reflektiert werden, ob operiert werden kann und im Zweifel dafür Sorge getragen werden, dass der Patient umfassend postoperativ überwacht wird“, macht Prof. Vogt deutlich und erläutert, dass bei ambulanten Eingriffen in jedem Fall diverse postoperative Überwachungskriterien zu prüfen seien. „So kann der Patient etwa bei exzessiver Übelkeit oder Erbrechen nicht entlassen werden, ebenso wenn er benommen ist“, erläutert Vogt. Komme es nach einem Eingriff zu Infektionen und Wundheilungsstörungen, sei es dringend notwendig, dass der Plastische und Ästhetische Chirurg darauf vorbereitet sei und mit adäquaten Maßnahmen reagieren könne. Bei Durchblutungsstörungen nach Gewebeverpflanzungen helfe etwa eine Therapie mit Blutegeln. Bei stark wuchernden Narben sei ein Jahr abzuwarten, bis man effektiv korrigieren könne. „Insbesondere der Umgang mit Komplikationen während oder nach einem Eingriff erfordert eine weit reichende Expertise des behandelnden Arztes. Nur so lässt sich Schlimmeres verhindern“, schließt Vogt.