Berlin – „Männer wollen gerne auch ein bisschen mehr“, so verkündeten Medien bundesweit Mitte September. Hintergrund war das Ergebnis der Patientenbefragung einer Vereinigung, die 38 Plastische Chirurgen umfasst, berichtet Prof. Dr. Peter M. Vogt. Als Präsident der Deutschen Gesellschaft der Plastischen, Rekonstruktiven und Ästhetischen Chirurgen (DGPRÄC) betrachtet er derartige mediale Beförderung der so genannten Penisverlängerung und -vergrößerung mit Sorge. „Was die verlautbarende Gesellschaft und somit auch die Medien soweit mir bekannt leider nicht erwähnten, sind die Risiken des Eingriffes und die durchaus zu hinterfragende Datenbasis der Studie“, stellt er als Vertreter der wissenschaftlichen Fachgesellschaft der Plastischen und Ästhetischen Chirurgen Deutschlands fest.
Zu Risiken und Nebenwirkungen
Der Eingriff, so Prof. Vogt, erscheine zunächst unproblematisch. Eine optische Verlängerung von ein bis zwei Zentimetern werde über die Durchtrennung von innen liegenden Bändern erreicht, da das Genital förmlich nach außen rutsche. Käme im Anschluss eine Behandlung mit Gewichten oder Streckvorrichtungen dazu, so sei eine weitere Verlängerung möglich. Schließlich würden Hautlappen entfernt, die zum Hodensack führen und so eine zusätzliche optische Verlängerung möglich. Eine Verdickung werde durch die Unterspritzung mit Eigenfett erreicht, das sich aber teilweise wieder abbaue. Daneben könne auch eine so genannte „dermale Matrize“ verwendet werden. „Dabei handelt es sich um gezüchtetes Gewebe, das als zusammenhängender Lappen um den Schaft und unter die Haut gelegt wird“, erläutert Prof. Vogt. Bei diesen Eingriffen sei zudem die Abgrenzung von psychiatrischen Störungen besonders wichtig: „Wir wissen aus der Behandlung von Fehlbildungen am Genital, wie etwa dem ,hidden penis’, einem im Ruhezustand überwiegend innen liegenden Glied, dass die Patienten erhebliche Störungen des Selbstwertgefühls aufweisen.“ Ob dieses durch einen Eingriff tatsächlich stabilisiert werden könne, sei nicht abzusehen. Er plädiert daher für eine eng mit dem Urologen durchgeführte Problemindikation im Vorfeld und warnt ausdrücklich vor Nebenwirkungen: „Als wesentliche Risiken und Komplikationsmöglichkeiten werden Infektionen, anhaltende Ödembildung und Narbenstrang- bzw. Plattenbildung mit Krümmung des Penis bei der Erektion beschrieben.“ Bei der Injektion von Eigenfett käme das Risiko der Knötchenbildung hinzu. Seine Empfehlung ist daher eindeutig: „Die Indikation für derartige Eingriffe ist sehr sorgfältig zu wählen!“
Ein Trend wird gemacht
Umso kritischer sei daher aus Prof. Vogts Sicht die unkritische Berichterstattung zu diesem Eingriff zu sehen: „Es folgte, was wir vor einigen Jahren bereits mit der Intimchirurgie der Frau erlebt haben. In der Geschäftsstelle und vermutlich auch bei Mitgliedern häufen sich nun die Anfragen zu diesem Eingriff.“ Dies sei aus seiner Sicht schlicht der Berichterstattung geschuldet, die das männliche Auge auf diesen vermeintlichen Korrekturbedarf lenke. Vor dem Hintergrund, dass diese Meldung auf einer Patientenbefragung durch 38 Plastische Chirurgen beruhe, könne man aus seiner Sicht kaum von einem „Trend“ sprechen. Schließlich ergebe sich das Ergebnis der Umfrage auch aus dem Behandlungsspektrum der beteiligten Praxen. Seien darunter einige, die diesen längst nicht von allen Plastischen und Ästhetischen Chirurgen durchgeführten Eingriff vornähmen, so habe dies selbstverständlich Einfluss auf das Ergebnis der Befragung. Abschließend mahnt er Kollegen und Presse zu einem sorgfältigeren Umgang mit Behandlungszahlen. „Bei jeder Statistik ist sorgfältig die Validität zu hinterfragen. In den mir bekannten Statistiken ist unklar, auf welcher Basis hochgerechnet wurde“, bemängelt Prof. Vogt und führt aus, dass den Medien zumeist nicht bewusst sei, dass nicht alle Ärzte, die ästhetische Eingriffe durchführen, befragt und immer nur auf die Mitglieder der Gesellschaft hochgerechnet werde. „Damit sind sämtliche absoluten Zahlen zu ästhetischen Eingriffen aus meiner Sicht unbrauchbar, maximal lassen sich Trends ablesen, aber auch hier müssen die Parameter, wie oben dargestellt, sorgfältig betrachtet werden,“ führt Prof. Vogt aus.
Selbstverpflichtung zur Datenerhebung
Die DGPRÄC selbst wäre mit aktuell 956 Ordentlichen Mitgliedern und einem Organisationsgrad von rund 95 Prozent zwar theoretisch in der Lage, Angaben über die Zahl der ästhetischen und rekonstruktiven Eingriffe durch Plastische und Ästhetische Chirurgen zu ermitteln. Leider, so Prof. Vogt, sei der Umfragen-Rücklauf seit dem Jahr 2004 so gering gewesen, dass die DGPRÄC die Daten aufgrund mangelnder Validität nicht veröffentlicht habe. „Ich freue mich sehr, dass die Mitgliederversammlung nun zugestimmt hat, die Datenerhebung als Teil des internen Qualitätsmanagements zur Pflicht zu erheben und bin gespannt auf die Ergebnisse“, schließt der Plastische und Ästhetische Chirurg.