OP mit Lärm und Stromausfall – Humanitärer Hilfseinsatz in Myanmar
Wie ich die Plastische Chirurgie kennenlernen durfte
Interplast-Einsatz in Myanmar im November 2018
Der Geruch der Abwasserkanalisation ist allgegenwärtig – ebenso der Lärm. Ein Schild sagt mir, dass ich angekommen bin: „Mandalay General Hospital“. Ich betrete das Klinikgelände. Überall sitzen und liegen Menschen am Straßenrand, dazu streunende Hunde und Katzen. Der Putz blättert von den Wänden, der Boden ist schmutzig, Müll liegt herum. Bin ich hier überhaupt richtig? Doch dann entdecke ich die Plastischen Chirurgen aus Regensburg, die mich über einen kleinen Seitenweg zum Operationssaal führen. Professor Prantl steht bereits im Operationssaal und behandelt den Kopf einer Patientin, die schon betäubt ist. Ich bin geschockt über den Anblick der Patientin. Eine junge Frau, der ein Teil des Gesichtes fehlt.
Im selben Raum liegt ein zweiter Patient. Ein vier Monate altes Baby mit klaffender Lippe, der sogenannten Mund-Kiefer-Gaumen-Spalte. Der Anästhesist deckt die kleinen Füßchen mit einer Wärmedecke zu. Der Anästhesiepfleger kontrolliert den Herzschlag. Viele interessierte Gesichter schauen zu. Ich zähle die Personen in dem 60-Quadratmeter-Raum. Es sind siebenundzwanzig. Das erklärt den Lärmpegel – in einer Sprache, die ich nicht verstehe. Professor Prantl und sein Team zeigen den einheimischen Ärzten detailliert die Schritte der Operation
Hilfe ohne Umwege
Heute ist mein erster Tag im Einsatz in Myanmar am Universitätsklinikum Mandalay. Ich wollte schon immer Mitglied eines humanitären Projekts sein. Als Medizinstudentin bin ich durch einen Vortrag von Dr. Schöneich über Hilfsprojekte in Entwicklungsländern auf „Interplast Deutschland e. V.“ aufmerksam geworden. Ein gemeinnütziger Verein für Plastische Chirurgie in Ländern der Dritten Welt. Plastische Chirurgen in einem Entwicklungsland? Nachdem ich die Krankheitsbilder unserer Patienten gesehen habe, verstehe ich, worum es geht. Babys mit angeborenen Fehlbildungen, entstellte Unfall- und Verbrennungsopfer, Menschen mit seltenen Tumoren in fortgeschrittenen Stadien und anderen bösartigen Erkrankungen. Ehrenamtliches Engagement in Entwicklungsländern, gebündelt unter dem Schirm von Interplast, ermöglicht medizinische Hilfe ohne Umwege.
Auf einmal ist es dunkel. Stromausfall. Das einheimische Personal bleibt ruhig. So etwas kommt hier öfter vor. OP-Leuchten, Beatmungsgerät und Überwachungsmonitore stehen still. Mit Stirnlampe und Handbeatmung wird weiter operiert.
Gaumenspalten-OP 1000 Dollar – Monatseinkommen 100 Dollar
Das Regensburger Team bringt den Ärzten vor Ort neue Techniken und Behandlungsverfahren bei. Auch ich als Studentin lerne in kurzer Zeit sehr viel dazu und werde mit einbezogen, darf unter Anleitung nicht nur assistieren, sondern auch bei Narkose, Hautnähten und Patientenbetreuung helfen. Nachdem es draußen bereits dunkel geworden ist, realisiere ich, wie lang der Arbeitstag eigentlich war. Auf dem Gang vor dem Operationssaal wartet schon die Familie des operierten Babys. Ihr herzliches Lächeln drückt Dankbarkeit aus und berührt mich sehr. Eine Kollegin aus Regensburg, die bereits bei mehreren Einsätzen dabei war, klärt mich auf, dass die Familie diese medizinische Versorgung niemals hätte bezahlen können. Durch die extreme Armut können viele Patienten weder Diagnostik noch Behandlung finanzieren. Die Versorgung eines Babys mit Lippen-Kiefer-Gaumenspalte kostet bis zu 1000 US-Dollar. Bei einem durchschnittlichen Haushaltseinkommen von 100 Dollar pro Monat ist das eine unbezahlbare Operation. Auch in der Klinik fehlt das Geld. Interplast bringt Instrumente und Material aus Deutschland mitgebracht – komplett durch Spenden finanziert. Die komplizierten Eingriffe wären sonst nicht möglich. Ich erfahre, dass der Einsatz in diesem Jahr mit Unterstützung des Regensburger Rotary Clubs „Porta Praetoria“ und durch die zum Geburtstag von Prof. Prantl eingegangen Spendengelder finanziert wurde. Es ist schön zu merken, dass die Hilfe direkt da ankommt, wo sie gebraucht wird.
Freiwilliges Engagement beeindruckt
Am Ende des zehntägigen Einsatzes fliege ich zurück nach Deutschland. Erst jetzt wird mir bewusst, was für unglaubliche Krankheitsbilder wir gesehen und behandelt haben. Als Studentin bin ich überrascht, was unser Team bewirken konnte und was durch die Plastische Chirurgie möglich gemacht wird. Ich bin sehr glücklich darüber, dass ich erfahren habe, wie schön und vielseitig das Fach Plastische Chirurgie ist. Dies ist mir bisher während meines Studiums nicht so bewusst gewesen, da das Fach nur als Wahlfach angeboten wird.
Das freiwillige Engagement der Ärzte und Schwestern, sowohl aus Deutschland als auch vor Ort, ist beeindruckend, und ich merke, wie anstrengend die Arbeit dort war. Dennoch bin ich glücklich und begeistert, dass ich diese Chance als Nachwuchs-Medizinerin von „Interplast Deutschland e. V.“ und dem Team um Prof. Prantl aus Regensburg bekommen habe. Ich würde jederzeit wieder Teil eines solchen Projektes sein.
Svena Rupp