Berlin – „Mit der Bestätigung des Urteils gegen Jean-Claude Mas hat das Gericht im wahrsten Sinne des Wortes Recht gesprochen“, konstatiert Univ. Prof. Dr. Dr. h.c. Raymund Horch, Präsident der Deutschen Gesellschaft der Plastischen, Rekonstruktiven und Ästhetischen Chirurgen (DGPRÄC) mit Blick auf die heutige Entscheidung des Berufungsgerichts in Aix-en-Provence. Dieses hatte bestätigt, dass es sich bei der Verwendung von Industriesilikon zur Herstellung von Brustimplantaten um „schweren Betrug“ handelt. Mas war in Berufung gegangen, da er keinen schweren Betrug erkennen konnte und das Urteil von vier Jahren Haft und 72.000 Euro Geldbuße nicht akzeptieren wollte.
Fortschritte in der Medizinproduktesicherheit
„Mit dem Skandal wurde 2010 europaweit das Interesse auf die Sicherheit von Medizinprodukten gelenkt“, erinnert Prof. Horch und berichtet weiter, dass die Politik reagiert habe. So seien unangemeldete Besuche der benannten Stellen, wie etwa TÜV oder DEKRA, die die Zulassung für Medizinprodukte erteilen, nunmehr Pflicht. „Mit solchen überraschenden Visiten, wäre der Betrug wohl frühzeitig aufgedeckt worden“, zeigt sich Prof. Horch überzeugt und ergänzt, dass diese privatwirtschaftlichen Unternehmen nunmehr strengeren Regelungen unterworfen seien. „Beides ist ein Fortschritt, wobei wir weiterhin der Auffassung sind, dass eine neutrale staatliche Prüfung zu bevorzugen wäre. Schließlich sind die Hersteller auftraggebende Kunden der benannten Stellen“, stellt Prof. Horch klar. National sei mit der Medizinprodukte-Betreiberverordnung klargestellt worden, dass Patienten nunmehr einen Implantatpass sowie die notwendigen Informationen zum Verhalten nach einem Eingriff erhalten. Schließlich auch, dass Ärzte innerhalb von drei Tagen alle Patienten mit betroffenen Medizinprodukten ermitteln können müssten, sofern es zu einem Rückruf komme. „Man sollte meinen, dass all dies eine Selbstverständlichkeit ist, aber der PIP-Skandal hat leider gezeigt, dass nicht immer so verfahren wurde. Wir begrüßen diese Änderung und fordern zur weiteren Optimierung der Patientensicherheit bereits seit 2012 die Einführung eines verpflichtenden Implantatregisters“, berichtet Prof. Horch. „Ein frühzeitiges Aufdecken des PIP-Skandales wäre mit einem einheitlichen, funktionierenden Register, in dem sämtliche Daten, d. h. Medizinproduktedaten und Behandlerdaten erfasst werden, möglich gewesen“, ist der Plastische und Ästhetische Chirurg überzeugt. Es habe sich mehrfach in der Vergangenheit gezeigt, dass die alleinige Meldung von Problemen mit Medizinprodukten durch die Anwender an das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) nicht ausreiche.
Register-Daten erhöhen die Patienten-Sicherheit
Zum Thema Register sei die DGPRÄC auf unterschiedlichen Ebenen aktiv. Nachdem bereits im Koalitionsvertrag die Einführung eines Registers angekündigt worden sei, habe die Gesellschaft aktiv und mit juristischer Unterstützung ein Konzept erarbeitet und stehe dazu im Dialog mit dem Gesundheitsministerium. Das Bedürfnis nach einer gesetzlich verpflichtenden Regelung in der Ärzteschaft sei unstrittig, so Prof. Horch. Das Konzept der DGPRÄC, welches die Erfassung und Nutzbarmachung von Sicherheitsdaten, Behandlerdaten und Forschungsdaten, die u. a. auch sicherheitsrelevant sein könnten, vorsehe, sei bisher von den verschiedenen Interessensträgern in Gesprächen sehr positiv aufgenommen worden. „Es bleibt zu hoffen, dass eine Umsetzung noch in dieser Legislaturperiode erfolgt, ein Wechsel der Akteure dürfte erhebliche Verzögerungen bei diesem wichtigen Baustein mit sich bringen“, fürchtet der Direktor der Plastischen- und Handchirurgischen Klinik an der Universitätsklinik Erlangen und ergänzt, dass die Gesellschaft sich hier mit der „International Collaboration of Breast Implant Registry Activities“ (ICOBRA) auch international engagiere. An dieser internationalen Initiative plastisch-chirurgischer Fachgesellschaften beteiligten sich neben der DGPRÄC andere Gesellschaften, die an einem verpflichtenden Register und der damit einhergehenden Transparenz interessiert seien. „Erst wenn 95 Prozent der in einem Land implantierten Brustimplantate über das Register erfasst werden, darf man sich an dem internationalen Austausch eines Kerndatensatzes beteiligen“, erläutert Prof. Horch und stellt klar: „Wir würden uns sehr freuen, wenn wir zeitnah vom Gesetzgeber in die Lage versetzt würden, uns hier auch aktiv zu beteiligen. In Großbritannien, Australien und den USA ist dies heute bereits erreicht.“
Die Notwendigkeit der Registrierung größerer Datenmengen scheine, so Prof. Horch, auch die EU erkannt zu haben. Hier stünde nach fast 40-monatigen Verhandlungen die Beschlussfassung zur Medizinprodukteverordnung kurz bevor. Vorgesehen sei etwa, dass so genannte Vorkommnismeldungen über Probleme mit Medizinprodukten dann nicht mehr von jedem Land national gesammelt würden, sondern in einer zentralen europäischen Datenbank. „Das halte ich für eine sehr gute Idee“, konstatiert Prof. Horch abschließend und hofft, dass die EU dann auch transparent über die gesammelten Daten Auskunft geben werde.