Ausgerechnet der Valentinstag 2016 änderte alles: Vanessa Münstermann wurde in den frühen Morgenstunden von ihrem Ex-Freund mit Schwefelsäure übergossen. Ihre linke Gesichtshälfte und Teile des Dekolletés sind seither deutlich gezeichnet. „Ich musste diese schreckliche Erfahrung in etwas Positives umwandeln, nur so war der Schmerz zu ertragen“, berichtet Vanessa Münstermann. Die Gründung von „AusGezeichnet“ helfe ihr bis heute bei der Bewältigung des Traumas. „Mit dem Verein kann ich von Geburt, durch Unfall oder ein Verbrechen entstellten Menschen einen Raum geben, Gespräche führen und so anderen zur Seite stehen, aber auch selber Kraft schöpfen – gemeinsam sind wir stark“, verdeutlicht Münstermann Sinn und Zweck des gemeinnützigen Vereins. „Das Erlebte derart zu verarbeiten, ist äußerst bewundernswert und war für den Vorstand Anlass, Frau Münstermann als die besondere Patientin 2018 auszuzeichnen“, konstatiert Prof. Dr. Riccardo Giunta, Präsident der Deutschen Gesellschaft der Plastischen, Rekonstruktiven und Ästhetischen Chirurgen (DGPRÄC).
Plastische Chirurgie = Wiederherstellung
Prof. Dr. Peter M. Vogt, Direktor der Klinik für Plastische Chirurgie an der Medizinischen Hochschule Hannover führt aus, dass bei der Behandlung zahlreiche Maßnahmen zum Tragen kamen, die die Plastische Chirurgie auszeichnen. „Die Wiederherstellung erfordert Geduld, Kreativität, zahlreiche Techniken, interdisziplinäre Zusammenarbeit und nicht zuletzt das Einfühlen in den Patienten. Die Plastische Chirurgie ist eine sprechende Chirurgie“, stellt er klar. „Um ein weiteres Eindringen der Säure zu verhindern, wurde das verätzte Gewebe unter Schonung der Gesichtsnerven sofort entfernt, so konnte die Beweglichkeit der Mimik erhalten und ein Vordringen der Säure bis auf den Kieferknochen verhindert werden. Dank unserer Möglichkeiten im Rahmen unseres Verbrennungszentrums konnten wir die Defekte mehrfach wieder decken“, berichtet der Plastische Chirurg und stellt klar, dass die Möglichkeiten noch nicht ausgeschöpft seien, es nun aber an der Patientin sei, zu bestimmen, was wann folge.
Kommunikation hilft!
„Für mich war es besonders wichtig, dass irgendwann der Zeitpunkt erreicht war, wo ich entscheiden durfte und wollte, wie es weiter geht. Es hat mich gestärkt beim Nach-Vorne-Schauen und mir Kraft und Selbstbewusstsein gegeben, auch im Dialog mit den Ärzten immer als Mensch und nicht als Fall wahrgenommen zu werden“, teilt Vanessa Münstermann ihre Sicht der Dinge. „Letztlich war es für mich zunächst wichtiger, den Dialog zu suchen, anderen zu helfen und etwas zurückzugeben“, führt sie aus. So sei es schließlich zu der Gründung von „AusGezeichnet“ gekommen. „Ich weiß, wie es sich anfühlt, plötzlich angestarrt zu werden und beim Blick in den Spiegel zu verzweifeln. Der Dialog, der Austausch mit anderen Betroffenen, der Aufbau des Vereins, das alles hat mir geholfen, ein neues Leben aufzubauen“, berichtet die 29-Jährige. Besonders viel Freude bereite es ihr, Verbrennungs- und Säureopfern in anderen Teilen der Welt notwendige Mittel zu Versorgung ihrer Wunden zukommen zu lassen. „Ich wurde und werde optimal medizinisch versorgt, das Glück hat nicht jeder. Menschen, denen es anders ergeht, zumindest dabei zu helfen, Infekte zu vermeiden, an denen sie schließlich sterben könnten und trotz mangelhafter Versorgung ein möglichst ästhetisches Ergebnis zu erzielen, gibt meinem Leben und Schicksal einen neuen Sinn,“ schließt sie.