Forschung und Entwicklung in der Plastischen Chirurgie:
Haut gezüchtet – Patient gerettet!

München, 19.01.2018 – Im Juni 2015 wurde der damals siebenjährige Hassan in die Klinik für Plastische Chirurgie und Schwerbrandverletzte am Bergmannsheil in Bochum eingeliefert. Der Junge litt akut an einer schweren Blutvergiftung, 60 Prozent der Körperoberfläche waren in Folge der erblichen und sehr seltenen „Schmetterlingskrankheit“ zerstört. „Sämtliche operativen und konservativen Behandlungsmöglichkeiten waren ausgeschöpft und Kreativität gefragt, um das Leben des Jungen zu retten“, berichtet Prof. Dr. Marcus Lehnhardt, Chefarzt der Bochumer Klinik. Im November 2017 wurde Hassan entlassen, er kann nun wieder am sozialen Leben teilhaben.

Haut aus dem Labor
„Der Junge wurde zu uns gebracht, da wir als Schwerbrandverletztenzentrum Routine in der Wiederherstellung von großflächigen Defekten der Haut haben“, führt Lehnhardt aus. Die gängigen Verfahren seien nicht geeignet gewesen, um wirksam bei der Schmetterlingskrankheit, die auf einem Gendefekt der Haut beruhe, eingreifen zu können. „Es war weder möglich, aus vorhandener Haut Spalthaut zu generieren, noch aus Hassans Keranozyten aufsprühbare Haut zu züchten, da der Gendefekt damit nicht überwunden worden wäre. Erst durch die Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Michele De Luca vom ,Center for Regenerative Medicine‘ an der Universität von Modena in Italien konnte ein bisher experimentelles Therapiekonzept umgesetzt werden, um den jungen Patienten zu behandeln“, erläutert Lehnhardt. Dabei seien Hauttransplantate aus transgenen epidermalen Stammzellen gezüchtet und damit 80 Prozent der Körperoberfläche neu gedeckt worden. „Nun, zwei Jahre später, verfügt Hassan über eine stressresistente, stabile Oberhaut. Wir sind optimistisch, dass sein Zustand stabil bleibt“, freut sich Lehnhardt, zumal sich herausgestellt habe, dass die aus den Stammzellen generierte Haut eine ausgezeichnete Qualität habe.

Blick in die Zukunft
„Als Schwerbrandverletztenzentrum sind wir auf qualitativ hochwertige Haut zur Deckung von Verbrennungen angewiesen“, erläutert der Plastische Chirurg. Dabei sei die Spalthaut, also unversehrte Haut der Patienten, deren Fläche durch die Einbringung einer Gitternetzstruktur bis zum sechsfachen vergrößert werden könne, begrenzt und führe zu kosmetisch nicht optimalen Ergebnissen. Aus Keranozyten gewonnene „Sprühhaut“ sei qualitativ eher schlecht und bringe für die Patienten langfristige Einschränkungen, wie Narbenstränge und Narbenkontrakturen mit sich. „Wir hoffen daher sehr, künftig auch zur Behandlung Brandverletzter oder bei anderen schwerwiegenden Erkrankungen oder Schädigungen der Haut mit aus Stammzellen gezüchteter Haut eingreifen zu können“, schließt Lehnhardt und wünscht sich, diesen Meilenstein in der Behandlung Brandverletzter in seiner Bochumer Klinik erleben zu können. Schließlich wurde in dieser bereits 1968 das erste Brandverletztenzentrum Deutschlands gegründet.

Link zur Presseinformation der Ruhr-Universität Bochum:
http://bergmannsheil.bg-kliniken.de/medien/presse-einzelansicht/news/weltweit-einzigartig-junge-erhaelt-dank-gen-therapie-neue-haut/

Link zum Artikel in „Nature“:
https://www.nature.com/articles/nature24487