Berlin – Mit Blick auf die Meldungen über fehlerhafte Brustimplantate aus Frankreich rät der Präsident der Deutschen Gesellschaft der Plastischen, Rekonstruktiven und Ästhetischen Chirurgen, Prof. Dr. Peter M. Vogt, derzeit vor allem, Ruhe zu bewahren. „Aktuell ist auch in Frankreich von offizieller Seite noch keine Rückrufaktion für die Implantate veranlasst. Vielmehr berät ein Expertengremium weiterhin, was zu tun ist und ob die diagnostizierten Krebsfälle tatsächlich auf die Implantate zurückzuführen sind“, stellt der Plastische und Ästhetische Chirurg klar und macht deutlich, dass die Implantate, wenn überhaupt, nur krebsfördernd wirken könnten, wenn sie reißen.
Kontrolle angezeigt
Damit gelte aus Prof. Vogts Sicht weiterhin, was von der französischen und deutschen Aufsichtsbehörde sowie von der DGPRÄC bereits im April 2010 empfohlen wurde: „Betroffene Patientinnen sollten ihren Arzt aufsuchen und das Implantat zum Beispiel per Ultraschall prüfen lassen. Ist das Implantat intakt, so besteht für den Augenblick definitiv keine Gefahr, allerdings sollte das Implantat zumindest jährlich weiterhin geprüft werden“, rät Prof. Vogt und ergänzt, dass man aus seiner Sicht zunächst weitere Untersuchungen abwarten solle, bevor man Implantate entferne. Eine Entscheidungshilfe für Patientinnen finde sich auf der Seite des Bundesinstitutes für Arzneimittel und Medizinprodukte. Die für Freitag angekündigte Stellungnahme der französischen Expertenkommission solle in jedem Fall abgewartet werden. Ob es sich bei dem eigenen Implantat um ein Produkt des Herstellers PIP („Poly Implant Prothèse“) handelt, können Patientinnen ihrem Implantatpass entnehmen oder von ihrem Operateur erfahren.
Appell an die Mitglieder und Krankenversicherungen
Die DGPRÄC habe ihre Mitglieder nun erneut gebeten, betroffene Patientinnen zu informieren und die Implantate zu prüfen. „Der behandelnde Arzt ist nicht für fehlerhafte, aber zugelassene Produkte haftbar. Trotzdem haben wir unsere Mitglieder aufgefordert, Patienten, bei denen eine Entnahme der Implantate notwendig und/oder gewünscht ist, finanziell entgegenzukommen. Der Hersteller ist schließlich insolvent und kann nicht mehr in Haftung genommen werden“, erläutert Prof. Vogt. Falls tatsächlich die Entfernung sämtlicher Implantate notwendig scheinen sollte, werde man sich an den Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung wenden, um eine Übernahme der Kosten zur Entfernung anzuregen. „Die Implantate sind Folge erheblicher krimineller Machenschaften. Es ist aus meiner Sicht unverantwortlich, die Patientinnen hier alleine zu lassen. Dabei ist es aber auch schon heute so, dass die Gesetzliche Krankenversicherung eine medizinisch notwendige Entfernung nach Ruptur zunächst bezahlt, den Patienten danach aber angemessen beteiligt“, stellt Prof. Vogt klar.
Medizinproduktezulassung auf dem Prüfstand Verantwortlich für das aktuelle Desaster sei aus Prof. Vogts Sicht nicht zuletzt das derzeitige System der Zulassung von Medizinprodukten und somit auch von Brustprothesen. „Entsprechend der Medizinprodukte-Richtlinien sind Implantate ein Produkt der Klasse drei. Diese erfordern eine klinische Bewertung auf Grundlage klinischer Daten durch den Hersteller selbst, gefolgt von einer Konformitätsbewertung durch eine benannte Dritte Stelle (z. B. TÜV). Das CE-Zeichen wird dann erteilt und somit die Verkehrsfähigkeit im gesamten Europäischen Wirtschaftsraum bestätigt“, erläutert Prof. Vogt. Behandelnde Ärzte müssten sich auf die Zulassung verlassen, da eine Prüfung einzelner Implantate schlicht unmöglich sei. Er fordert vor diesem Hintergrund eine Reform der europäischen Zulassungsverordnungen, um diese an die deutlich strengeren, weiterhin nationalen Zulassungsbestimmungen für Arzneimittel anzupassen: „Medizinprodukte können, auch wenn sie nicht fehlerhaft sind, im Körper weitreichende Reaktionen hervorrufen. Es ist unverständlich, warum vor diesem Hintergrund eine Zulassung nach durch den Hersteller veranlassten und durchgeführten Studien möglich ist – und dies auch noch für den gesamten europäischen Wirtschaftsraum“, schließt Prof. Vogt und kündigt an, sich in dieser Sache an das Bundesministerium für Gesundheit zu wenden.