Dresden – „Bereits seit der Gesundheitsreform 2007 sind die Krankenkassen durch den Gesetzgeber verpflichtet, Patienten an den Folgekosten medizinisch nicht indizierter Maßnahmen – also auch plastisch-ästhetischer Eingriffe – angemessen zu beteiligen“, erläutert Prof. Dr. Peter M. Vogt, Präsident der Deutschen Gesellschaft der Plastischen, Rekonstruktiven und Ästhetischen Chirurgen (DGPRÄC) .Alle Versuche der Ärzteschaft, gegen diese Einführung des Verursacherprinzips in der Gesetzlichen Krankenversicherung vorzugehen, seien leider gescheitert, bedauert Vogt.
Mit der Pflegereform zur Denunziation
Die ärztliche Schweigepflicht habe Ärzte und Patienten zunächst vor der Umsetzung der Neuregelung bewahrt. Mit der Pflegereform wurde diese aber in 2008 ausgehebelt. Im Sozialgesetzbuch V ist unter §294 seither geregelt:
„(2) Liegen Anhaltspunkte für ein Vorliegen der Voraussetzungen des § 52 Abs. 2 vor (Krankheit durch eine medizinisch nicht indizierte ästhetische Operation, eine Tätowierung oder ein Piercing zugezogen), sind die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte und Einrichtungen sowie die Krankenhäuser nach § 108 verpflichtet, den Krankenkassen die erforderlichen Daten mitzuteilen.“
„Eine Ungeheuerlichkeit“, urteilt der Verbandspräsident, „die uns seither zur Denunziation unserer Patienten zwingt und auch bei nicht erfolgter Meldung gehäuft Rückfragen des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen verursacht.“ Ihm sei außerdem unklar, wie der Gesetzgeber dazu komme, Patienten, die einen ästhetischen Eingriff vornehmen lassen, mit Verbrechern und Kunden in Tätowier- oder Piercing-Studios rechtlich gleichzusetzen. „Schließlich handelt es sich bei unseren Patienten um die einzige betroffene Gruppe, die sich von einem ausgebildeten Arzt behandeln lässt – wenn auch nicht aus medizinisch indizierten Gründen“, stellt er klar.
Gesucht und gefunden: Eine Lösung für Patienten
Als Berufsverband und wissenschaftliche Fachgesellschaft der deutschen Plastischen Chirurgen hatte sich die DGPRÄC bereits mit der Gesundheitsreform um eine versicherungstechnische Lösung dieser potentiellen finanziellen Bedrohung der Patienten bemüht. „Wir konnten es nicht verantworten, dass Patienten das Risiko einer schicksalhaften Komplikation – wie einer Thrombose oder Wundheilungsstörungen – anteilig selbst tragen mussten – auch wenn zu diesem Zeitpunkt völlig unklar war, was der Gesetzgeber unter der geforderten ,angemessenen Beteiligung‘ verstehen würde“, führt Prof. Vogt aus. Gleichzeitig habe man die Mitglieder aufgefordert, ihre Patienten über diese Rechtslage aufzuklären. Schließlich wurde nach einer Datenerhebung bei den Mitgliedern eine versicherungsmathematische Kalkulation des noch sehr vagen Risikos vorgenommen und in 2009 zunächst eine Versicherung des Patienten über den Operateur möglich. Aktuell gibt es diverse Versicherungslösungen für dieses Risiko. DGPRÄC-Mitgliedern und ihren Patienten steht seit diesem Jahr exklusiv auch eine Folgekostenversicherung (www.folgekostenversicherung.de) zur Verfügung, die der Patient selbst abschließen kann. Die Ausbildung zum Facharzt für Plastische und Ästhetische Chirurgie und die Mitgliedschaft in der DGPRÄC garantieren dem Versicherungsgeber hohe Qualität, so dass die Patienten zu vergleichsweise günstigen Konditionen versichert werden können.
Erste Erfahrungen zu Schadensfällen
Aus dieser Lösung gibt es nun erste Daten zur Umsetzung der Rechtslage. Pro 100 patientenseitig abgeschlossene Versicherungen kommt es durchschnittlich zu zwei Schadensfällen, vor allem bei Brustvergrößerungen und -verkleinerungen. Bis dato beträgt die Rückforderungshöhe der Krankenkassen aus diesen Fällen im Mittel 3000€ zu Lasten des Patienten, wobei die einzelnen Schadensummen zum Teil mehr als doppelt so hoch sind. Bei einer Besprechung 2008 einigte sich der Spitzenverband der Krankenkassen auf eine Empfehlung zum Eigenanteil der Versicherten. Dieser solle in der Regel 50 Prozent der OP-Kosten betragen, maximal aber – abhängig vom Einkommen – zwischen einem und sieben Prozent des Jahresbruttoeinkommens (siehe Anhang).
Rechtslage seit dem 1. Juli 2008, Sozialgesetzbuch V, § 52, (2) NEU!
Leistungsbeschränkung bei Selbstverschulden
Alt:
„Haben sich Versicherte eine Krankheit vorsätzlich oder bei einem von ihnen begangenen Verbrechen oder vorsätzlichen Vergehen zugezogen, kann die Krankenkasse sie an den Kosten der Leistungen in angemessener Höhe beteiligen und das Krankengeld ganz oder teilweise für die Dauer dieser Krankheit versagen und zurückfordern.“
Neu:
„(1) Haben sich Versicherte eine Krankheit vorsätzlich oder bei einem von ihnen begangenen Verbrechen oder vorsätzlichen Vergehen zugezogen, kann die Krankenkasse sie an den Kosten der Leistungen in angemessener Höhe beteiligen und das Krankengeld ganz oder teilweise für die Dauer dieser Krankheit versagen und zurückfordern.
(2) Haben sich Versicherte eine Krankheit durch eine medizinisch nicht indizierte ästhetische Operation, eine Tätowierung oder ein Piercing zugezogen, hat die Krankenkasse die Versicherten in angemessener Höhe an den Kosten zu beteiligen und das Krankengeld für die Dauer dieser Behandlung ganz oder teilweise zu versagen oder zurückzufordern.“