Berlin – „So schlecht sind deutsche Schönheitschirurgen!“ titelte die Wochenzeitschrift „Bild der Frau“ am 1. Juli 2011. Anlass war eine Untersuchung in Kooperation mit der Verbraucherzentrale Hamburg, bei der die Beratungsgespräche von 26 Plastischen und Ästhetischen Chirurgen mit Hilfe einer vermeintlichen Patientin geprüft wurden. Bereits im Herbst 2010 hatte die Zentrale elf Hamburger Ärzte „getestet“ – für den aktuellen Artikel und die zeitgleich veröffentlichte „Studie“ kamen 15 weitere aus ganz Deutschland dazu. „Wir hätten uns gewünscht, dass unsere Kritikpunkte und Fragen zu der Hamburger ,Studie’ vom November 2010 und unser umfassendes Schreiben dazu berücksichtigt oder zumindest beantwortet worden wären, bevor der Test mit der ,Bild der Frau’ auf das Bundesgebiet ausgeweitet wurde“, kritisiert Prof. Dr. Peter M. Vogt, Präsident der Deutschen Gesellschaft der Plastischen, Rekonstruktiven und Ästhetischen Chirurgen (DGPRÄC).
Kritikpunkte im Nebel
„Wir nehmen die Ergebnisse weiterhin sehr ernst“, betont Prof. Vogt. Die Zweifel am Studiendesign hätten sich mit der neuen Publikation jedoch verstärkt. So habe die DGPRÄC in einem Brief an die Verbraucherzentrale bereits vor Monaten hinterfragt, warum für den „Test“ lediglich Plastische und Ästhetische Chirurgen mit dem Angebot eines kostenfreien Beratungsgespräches ausgesucht worden seien. „Dieser Hinweis findet sich jetzt nicht mehr in der ,Studie’. Trotzdem sind zumindest die elf Hamburger Kollegen nach diesem Kriterium ausgewählt worden, das im Übrigen gegen die Berufsordnung verstößt“, stellt Vogt fest. Die schlichte Herausnahme von Kritikpunkten sei nicht nur an dieser Stelle erfolgt. So hatte die DGPRÄC in Reaktion auf die Ergebnisse vom November 2010 anhand der Kurzdarstellung der einzelnen Arzt-Testungen auch die Gewichtung der Bewertungs-Parameter hinterfragt. „Diese detaillierten Darstellungen gibt es jetzt nicht mehr. Für den Leser ist es daher nicht nachvollziehbar, wie der Arzt denn nun zu seiner schlechten Note kommt“, macht Prof. Vogt deutlich. Die Forderung der DGPRÄC, zukünftige Erhebungen neutraler auszuwerten und methodisch breiter anzulegen sei offenbar nicht gehört worden – nun seien diese Aspekte im Gegenteil weiter „verschleiert“ worden. Weiterhin seien ihm nicht zu erklärende Differenzen zwischen der ersten und zweiten „Studie“ aufgefallen. So sei im November noch von vier Plastischen Chirurgen berichtet worden, die darauf hingewiesen hätten, dass die Brustkrebsvorsorge durch Mammographie bei silikongefüllten Implantaten Probleme bereiten könne. In der „Bild der Frau“ sei nur noch von einem Plastischen und Ästhetischen Chirurgen die Rede gewesen, der diese Warnung ausgesprochen habe.
Aufklärung oder Mission?
Die Überschrift der Verbraucherzentrale-„Studie“ („Sie wollen groß? Sie kriegen groß“) und die Zusammenfassung im „Bild der Frau“-Artikel legten, so Prof. Vogt, weiterhin den Verdacht nahe, dass die ausführliche Hinterfragung der Patienten-Motivation im Aufklärungsgespräch überproportional bewertet worden sei. „Bereits in unserer letzten Stellungnahme hatten wir verdeutlicht, dass unsere Patienten in aller Regel mündige Bürger sind, die durchaus dazu in der Lage sind, eine selbstbestimmte Entscheidung zu treffen“, erinnert Prof. Vogt. Eine ernst zu nehmende Körperbildwahrnehmungsstörung („Dysmorphophobie“) ließe sich seiner Meinung nach ohnehin nicht durch bloßes Hinterfragen der individuellen Motivation diagnostizieren. Hinzu komme, dass nach dem getesteten Erstgespräch in vielen Fällen noch ein zweites Gespräch folge, in dem weitere Punkte geklärt und auch dieser Faktor weiter ausgeleuchtet werde. Ärzte, die diesen Ansatz verfolgen, würden, so Prof. Vogt, durch den Test systematisch benachteiligt. Grundsätzlich stellt sich dem Plastischen und Ästhetischen Chirurgen die Frage, ob es der Verbraucherzentrale nicht vielmehr darum ginge, den ästhetischen Eingriff per se zu verhindern. So habe die Verbraucherzentrale bereits im September 2010 in einer Stellungnahme zu einer Brust-OP-Versteigerung dazu aufgefordert, die Entscheidung für einen Eingriff zu prüfen, indem man Risiken der Motivation gegenüber stelle. „Bemerkenswert ist hier, dass als Motivationsgründe lediglich ,bessere Karriere’, ,für den Freund’ oder ähnliche Kategorien dargestellt werden. Dass der Patient einen solchen Eingriff einfach nur für sich und sein körperliches und seelisches Wohlbefinden durchführen lässt, scheint der Verbraucherzentrale nicht vorstellbar zu sein“, kritisiert Prof. Vogt. Dies sei aber meistens der Fall.
Versicherungsschutz ist entscheidend
Als Anlass für die Untersuchung gibt die Verbraucherzentrale an, dass in die Beratung immer wieder Menschen kämen, die nach unzureichender Aufklärung durch eine unsachgemäße Operation geschädigt worden seien. „Natürlich ist es erfreulich und wichtig, wenn die Verbraucherzentrale derartige Entwicklungen erkennt, aufgreift und reagiert. Verwunderlich ist aus meiner Sicht nur, dass ein direkter Zusammenhang zwischen unzureichender Aufklärung und schlechtem OP-Ergebnis hergestellt wird. Meine Erfahrung aus der Praxis und Gutachter-Tätigkeit bestätigt dies aber nicht. Vielmehr kommt es unabhängig von der Aufklärung zu schlechten Ergebnissen – häufig durch nicht entsprechend weitergebildete Ärzte“, erläutert Prof. Vogt. So habe Patientenanwalt Matthias Teichner in einer Bundestagsanhörung zum Verbraucherschutz bei Schönheitsoperationen bereits im Jahr 2008 deutlich gemacht, dass in der mangelnden Aufklärung sehr selten ein Haftungsgrund bei kosmetischen Eingriffen vorliege. Stattdessen habe Teichner auf die Risiken eines mangelnden Versicherungsschutzes hingewiesen. „In der Tat ist es so, dass Ärzte verpflichtet sind, sich ,hinreichend’ zu versichern“, erläutert Prof. Vogt. Allerdings werde dies nicht überprüft. Aus diesem Grund komme es häufig dazu, dass Patienten vor Gericht zwar Recht bekämen, aber trotzdem nicht entschädigt würden, da der HNO-Arzt zum Beispiel nicht für Bauchdeckenstraffungen versichert gewesen sei. „Auch wir haben deshalb den Nachweis und die Kontrolle des Versicherungsschutzes gefordert und wundern uns, dass die Verbraucherzentrale weder in der Untersuchung noch in ihrem Ratgeber ,Schön durch Operation?’ auf diesen wesentlichen Aspekt hinweist“, schließt Prof. Vogt seine Ausführungen und kündigt an, dass man erneut das Gespräch mit der Verbraucherzentrale suchen werde, um gemeinsam Verbesserungen im Bereich des Patientenschutzes zu erreichen.