Berlin – Mit Interesse hat der Vorstand der Deutschen Gesellschaft der Plastischen und Ästhetischen Chirurgen (DGPRÄC) die am 15. November 2010 veröffentlichte Untersuchung der Verbraucherzentrale Hamburg zu Beratungsgesprächen vor einer Brustvergrößerung zu Kenntnis genommen. Eine junge Patientin wurde mit dem angeblichen Wunsch nach einer Brustvergrößerung zu elf Plastischen und Ästhetischen Chirurgen geschickt. Anschließend beurteilte die Verbraucherzentrale anhand einer Checkliste die Beratungsqualität. Das Ergebnis liest sich katastrophal: eine „relativ gute Beratung“, sieben „schlechte Beratungen“, drei „ganz schlechte Beratungen“.
Eklatante Aufklärungsmängel?!
„Wir nehmen die Ergebnisse sehr ernst“, macht Prof. Dr. Peter M. Vogt, Präsident der DGPRÄC, deutlich. Das Ergebnis und die Art der Untersuchung müsse aber auch kritisch betrachtet werden. Die elfseitige Publikation der Verbraucherzentrale zeige, dass es in der Tat eklatante Aufklärungsmängel gebe: „Hier hat mich besonders erschreckt, dass nur vier von elf Ärzten erwähnten, dass die Brustkrebsvorsorge durch Mammographie bei silikongefüllten Implantaten schwieriger ist. Keiner informierte, dass die Kasse bei alternativen Untersuchungsmethoden nicht zahlt.“ Auch die festgestellten Mängel bei Aufklärungsbögen und die Tatsache, dass nur fünf von elf Ärzten dazu aufforderten, die Entscheidung erneut zu bedenken, ließen den Verbandspräsidenten aufhorchen. „Hier wird man die Mitglieder darauf hinweisen müssen, dass sie ihrer Aufklärungspflicht stärker nachkommen müssen“, macht er deutlich. Prof. Vogt sieht aber auch die Verbraucherzentrale in der Pflicht, zukünftige Erhebungen neutraler auszuwerten und methodisch breiter anzulegen.
Studiendesign und Auswertung
So seien etwa ausschließlich Ärzte gewählt worden, die keine Beratungsgebühr verlangten. „Dies ist für mich in keiner Weise nachvollziehbar – warum sollte ausgerechnet eine kostenlose Beratung die beste sein?“, hinterfragt der Plastische Chirurg. Nach Lektüre der kurz dargestellten Beratungsgespräche erschließe sich ihm auch die in der Zusammenfassung durchgängig sehr schlechte Bewertung nicht. „Eine durchschnittliche Beratungszeit von 45 Minuten ist durchaus ordentlich, auch wissenschaftlich wurde offenbar überwiegend zufrieden stellend aufgeklärt und auf die wesentlichen Risiken hingewiesen“, resümiert Prof. Vogt. Der Inhalt eines Beratungsgespräches ergebe sich auch individuell, etwa aus der Persönlichkeit des Arztes und dem Vorwissen des Patienten – wobei Mindeststandards natürlich zu erfüllen seien. Er verdeutlicht dies an einem Beispiel aus dem Test: „Schaut die Patientin beim Wort ,Kapselfibrose’ wissend, wird der Arzt hier nicht umfangreich mögliche Ausprägungen (wie Asymmetrie oder Entrundung) thematisieren. Bei der ,Studie’ der Verbraucherzentrale klärten alle elf Ärzte über das Risiko einer Kapselfibrose auf – vier erläuterten außerdem die möglichen Ausprägungen. Die daraus abgeleitete Schlussfolgerung, dass die allgemeine Aufklärung bei den meisten Ärzten ,ziemlich oberflächlich’ gewesen sei, ist aus meiner Sicht daher nicht haltbar“, schließt Prof. Vogt. Das Arzt-Patienten-Gespräch sei eine sehr individuelle Angelegenheit, bei der naturgemäß unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt würden. Im Idealfall erhalte der Patient außerdem einen Aufklärungsbogen zur weiteren Lektüre zu Hause. Daraus resultierende spätere Rückfragen seien erwünscht und durchaus üblich.
Der mündige Patient
Unklar ist dem Präsidenten auch die offenbar überproportionale Wertung der Hinterfragung der Motivation: „Unsere Patienten sind mündige Bürger mit einem Recht auf Selbstbestimmung. Zwar ist es unsere ärztliche Pflicht, eine krankhafte Selbstwahrnehmungsstörung (Dysmorphophobie) auszuschließen – dies gelingt aber kaum durch das Hinterfragen der Motivation des Patienten. Vielmehr wird dies häufig als unzulässige Einmischung in die Privatsphäre verstanden“, stellt Prof. Vogt klar und ergänzt, dass hier Feingefühl und Empathie des Arztes gefordert seien. Weiterhin sei beim Einsatz einer Testerin zu hinterfragen, welchen Einfluss diese auf die Auswertung habe. Bei Lektüre der Untersuchungsergebnisse dränge sich eine gewisse Voreingenommenheit auf. So sei es zum Beispiel fragwürdig, dass bei „Arzt Nr. 4“ die sehr vorsichtige Empfehlung, nicht mehr als ein 250-ml-Implantat einzusetzen, auf der Negativseite verbucht worden sei. Die beste Beurteilung habe hingegen ein Arzt erhalten, der sich nur 25 Minuten Zeit genommen, nicht auf Kosten und Folgekosten hingewiesen und die Beratung über die Kasse abgerechnet habe. Er jedoch habe die Patientin darauf hingewiesen, dass der Eingriff überflüssig sei. „Nun ist es aber an der Tagesordnung, dass ästhetische Eingriffe dem Außenstehenden oder dem behandelndem Arzt als überflüssig erscheinen. Dies dem Patienten so mitzuteilen, zeigt aber mangelnden Respekt vor dessen Entscheidung“, formuliert Prof. Vogt.
Folgerungen und Forderungen
Die Entscheidung des Patienten für einen medizinisch nicht notwendigen Eingriff sollte fundiert und wohl überlegt getroffen sein – daran besteht aus Prof. Vogts Sicht kein Zweifel. Die DGPRÄC fordert die Patienten daher in ihren „Tipps zur Arztsuche“ zur sorgfältigen Abwägung auf. Umso mehr erstaunt es den Plastischen Chirurgen, dass in den „Konsequenzen und Forderungen“ der Verbraucherzentrale die maßgeblichen Forderungen an den Patienten erst an letzter Stelle auftauchen. Die erstgenannte Forderung an die Ärzte, „ethische Gesichtspunkte vor finanzielle zu stellen“ unterstelle der Ärzteschaft, dass das Gegenteil die Regel sei. Dies lasse sich aus Prof. Vogts Sicht aber nicht aus der Auswertung ableiten.
Zu der Forderung an die Fachgesellschaften, die Aufgabe der Qualitätsentwicklung und -sicherung besser wahrzunehmen, stellt der Verbandspräsident fest: „Wir können nur Anforderungen formulieren – was wir aktuell besonders im Bereich der Ästhetik mit der Erstellung von Leitlinien auch massiv vorantreiben. Mit unseren Patienten-Ratgebern klären wir umfassend auf, müssen aber unsere Mitglieder noch mehr auf die Beratung sensibilisieren. Wir sind der Verbraucherzentrale für ihre Ermittlungen dankbar und greifen die Hinweise gerne auf. Die Einhaltung der von uns erstellten Richtlinien können wir aber nicht überprüfen – dazu sind wir weder berechtigt noch befähigt“, schließt der Verbandspräsident und verweist hier auf den mündigen Patienten, dem die DGPRÄC mit den „Tipps für die Arztsuche“ ein durchaus brauchbares Instrument an die Hand gegeben habe. Die Forderungen an die Politik kann Prof. Vogt teilweise nachvollziehen, sieht aber erhebliche Umsetzungsprobleme. Die DGPRÄC selbst habe in ihrer Stellungnahme zum „Verbraucherschutz bei Schönheitsoperationen“ deutlich gemacht, welche politischen Regelungsmöglichkeiten sie sieht und Handeln eingefordert. Die schlichten Forderungen der Verbraucherzentrale seien zwar im Ansatz gut, zeugten aber von Unkenntnis der politischen Rahmenbedingungen. So sei ihm kein Instrument vorstellbar, mit der die Politik die geforderte Verpflichtung ästhetisch tätiger Ärzte auf nicht genauer ausgeführte Aufgaben und Pflichten umsetzen könne. Auch die vorgeschlagene Pflicht zur Beratung durch andere neutrale Akteure erscheine ihm etwas kurz gegriffen. „Wer soll dieses unabhängige Gremium einsetzen, finanzieren, Unabhängigkeit gewährleisten?“, hinterfragt Prof. Vogt, der sich in dieser Frage schriftlich an die Verbraucherzentrale wenden wird. Er empfiehlt, dass die Schlichtungsstellen der Ärztekammern, denen die entsprechenden Daten vorlägen, und nicht unabhängige wissenschaftliche Institute, wie von der Verbraucherzentrale gefordert, die Komplikationsraten nach ästhetischen Eingriffen systematisch untersuchen sollten. Weiterhin sollten aus seiner Sicht die Kostenträger hier in die Pflicht genommen werden, denen durch die Pflicht zur Meldung von Korrektureingriffen ja entsprechende Daten vorlägen.
Falschinformation verwirrt zusätzlich!
Schließlich fordert der Verbandspräsident dazu auf, zukünftig sachlich richtig über die Folgekosten medizinisch nicht indizierter Maßnahmen aufzuklären. Zwar mache die Verbraucherzentrale einleitend deutlich, dass Kassen die Patienten angemessen beteiligen müssten – im Bewertungsbogen und den Schlussfolgerungen werde jedoch behauptet, dass Kassen für Folgekosten nicht mehr aufkämen und gar „Sozialämter“ die Kosten tragen müssten. „Dies ist sachlich falsch und trägt sicher zur weiteren Verwirrung der Patienten bei“, macht Prof. Vogt deutlich. Richtig sei, dass die Patienten angemessen beteiligt würden und den Kassen die Kosten anteilig zurückerstatten müssten (aktuelle Empfehlung nach einer Besprechung der Spitzenverbände der Krankenkassen 2008: in der Regel 50 Prozent der OP-Kosten, maximal aber – abhängig vom Einkommen – zwischen einem und sieben Prozent des Jahresbruttoeinkommens). „Darüber hat die DGPRÄC nicht nur frühzeitig aufgeklärt sondern im Interesse der Patienten eine entsprechende Versicherungslösung entwickelt“, berichtet Prof. Vogt.
Abschließend fordert er die Verbraucherzentrale Hamburg auf, bei zukünftigen Erhebungen den „Facharzt für Plastische und Ästhetische Chirurgie“ auch so zu bezeichnen und nicht fast durchgängig als „Schönheitschirurg“ zu bezeichnen.